Harbinger Down - Das Grauen lauert im Eis (2015) - Review - 100 Years of Terror (2024)

Harbinger Down ist die von praktischen Effekten getragene Antwort auf das CGI-Fiasko The Thing aus dem Jahre 2011. Ob man hier dem Geiste Carpenters näher kommt? Wir sind für euch unter den Eispanzer der Beringsee getaucht, um nachzuschauen.

Originaltitel:
Land:
Laufzeit:
Regie:
Drehbuch:
Cast:

Harbinger Down
USA
78 Minuten
Alec Gillis
Alec Gillis
Lance Henriksen u.a.

Inhalt

Die jungen Studentinnen Sadie und Ronelle gehen gemeinsam mit ihrem Professor Stephen an Bord des Krabbenfangschiffes Harbinger, um unterwegs die Auswirkungen des Klimawandels auf Belugawale der Beringsee zu erforschen. Unter dem Kommando des knarzigen Kapitäns Graff (Lance Henriksen, Aliens – Die Rückkehr) entdeckt die Crew bald einen seltsamen Gegenstand unter der Eiskruste, der die Wale zu beeinflussen scheint. Während Sadie und Stephen sich darum balgen, wem Ruhm und universitäre Reputation des Funds zustehe, entpuppt sich dieser als tückische Gefahr. Es handelt sich um eine Raumkapsel aus den 1980er Jahren, die den Sowjets zur Forschung mit Weltraumstrahlung diente. Die verwendeten Bärtierchen – äußerst zähe und langlebige Mikroben – an Bord der Kapsel sind durch die Strahlung mutiert und treiben, sobald sie einmal aufgetaut wurden, in gestaltwandelnden Formen ihr Unwesen auf der Harbinger…

Hintergrund & Kritik

Es ist kein Geheimnis, dass Harbinger Down ein Tribut an John Carpenters legendären Body-Horror-Streifen Das Ding aus einer anderen Welt darstellt. Die äußerst günstige Independent-Produktion entspringt einer bewegten Entstehungsgeschichte: Inmitten der Dreharbeiten des Prequels The Thing (2011) entschied man sich, die geplanten praktischen Effekte durch Computeranimationen zu ersetzen – ein herber Rückschlag für das beauftragte Studio Amalgamated Dynamics, die dem Geiste Carpenters lieber treu geblieben wären. Als berechtigte Trotzreaktion starteten diese eine Crowdfunding-Kampagne, um ihre vorbereiteten Tentakeleffekte und Requisiten – umfangreich erweitert natürlich – anderswo unterzubringen. Das Ergebnis Harbinger Down stellt das ungewöhnliche Debüt von Mitgründer Alec Gillis dar, der zwar bereits zwei Oscarnominierungen für die Spezialeffekte von Alien³ und Starship Troopers einheimsen konnte, als Regisseur jedoch Neuland betritt.

Gemäß der Prämisse, der leidenschaftlichen Arbeit an praktischen Effekten im Geiste Carpenters und seines Effekt-Genies Rob Bottin (Das Grauen aus der Tiefe, Das Ding aus einer anderen Welt) einen Rahmen geben zu wollen, wirkt vieles an Harbinger Down überaus pragmatisch. Die Schauspielenden, mit Ausnahme Henriksens, der als absoluter Gewinn für den Film verbucht werden kann, machen ihre Sache ordentlich, jedoch auch keinen Deut besser. Die Figuren bleiben flach und unglaubwürdig, allen voran die Wissenschaftler, deren Arbeit unglaubwürdiger kaum dargestellt werden könnte. Wäre dies völlig unproblematisch in einem reinen Exploitation-Streifen, lässt Harbinger Down jedoch immer wieder durchblicken, dass eine dreidimensionale Charakterzeichnung zumindest versucht wurde, woran der Film scheitert. So verbindet Sadie und ihren Großvater, Kapitän Graff, eine eigentlich tragische Familiengeschichte und die russischstämmige Svetlana überkommen in einsamen Momenten Selbstzweifel – interessiert nur niemanden. Etwas mehr Selbstbewusstsein und Mut zur Exploitation hätten dem Film hier gutgetan. Es wäre keine Schande gewesen, diese Versuche in Richtung ernsthafter Charakterzeichnung einfach zu unterlassen.

Monströs wird es in Harbinger Down etwa ab der Hälfte. Die Bärtierchen, auf Mikroskopbildern meist äußerst drollig anmutend, sind durch die Weltraumstrahlung in die Lage versetzt worden, andere Organismen zu verformen und ihre DNA zu assimilieren – genau wie die namenlose außerirdische Kreatur aus Das Ding aus einer anderen Welt. Folglich passiert auf der Harbinger das Gleiche wie im antarktischen Outpost 31: Tentakel brechen aus Körpern hervor, florale Formen spritzen Eiter herum und gigantische Mäuler tun sich in wuselnder Biomasse auf, um die Crewmitglieder zu verschlingen. Dabei kann bald niemand mehr dem anderen trauen, könnte die Infektion doch jeden erwischt haben. An den praktischen Effekten hat man als Fan handfester Retro-Creature-Features seine wahre Freude. Sie lassen zu jedem Zeitpunkt durchblicken, was sie sind und wofür sie stehen; Stop-Motion, Miniaturen und Puppentechnik orchestrieren ein monströses Fiasko, das auch aus den 80ern stammen könnte. Den unbeholfenen Computertricks aus The Thing (2011) ist Harbinger Down damit schon einmal weit überlegen.

Aber leider krankt es dem ambitionierten Projekt an zu vielen Ecken und Enden. Viele Schnitte wirken nicht völlig ausgereift und auch die Ausleuchtung der Monsterszenen lässt manchmal zu wünschen übrig. Die Probleme mangelnder Regie-Erfahrung und eines kargen Budgets verstärken sich durch ein uninspiriertes Drehbuch. Auch nimmt der Body Horror nicht genug Screentime ein, um die unnötigen Dialoge der uninteressanten Crew in der Zwischenzeit zu ertragen. Das Ding aus einer anderen Welt lebt eben auch von der grandiosen, beißenden Atmosphäre im Outpost 31, die John Carpenter stilsicher und mit einem guten Gefühl für cinematographische Atmosphäre einfing. In Harbinger Down ist alles außer den Kreaturenszenen nur Ballast ebenso wie der Chess Wizard, den Kurt Russell in Carpenters Film mit schottischem Whisky kurzschließt und der in Gillis Film als kaputte Antiquität im Bauch der Harbinger verstaubt. Immerhin – ein überaus liebgewonnenes Easter Egg.

Fazit

Harbinger Down ist ein überaus ehrlicher Film, der nicht mehr verspricht als er liefert. Er ist eine günstige Hommage an die glorreichen Zeiten praktischer Spezialeffekte, die von unerfahrenen Filmern ambitioniert umgesetzt wurde. Leider hat der Film zahlreiche Kinderkrankheiten, die auch quantitativ die wirklich guten Effekte überwiegen. Dennoch sollten Fans derartiger Tricktechnik einen Blick riskieren – alleine in seiner Grundprämisse ist Harbinger Down absolut unterstützenswert. Nicht jeder Independentstreifen kann einen Geniestreich darstellen. Manche benötigen einfach einen wohlwollenden Blick im Wissen darum, welches Herzblut in ihnen steckt.

Bewertung

Grauen
Spannung
Härte
Unterhaltung
Anspruch
Gesamtwertung

Bildquelle: Harbinger Down © Splendid Film

Harbinger Down - Das Grauen lauert im Eis (2015) - Review - 100 Years of Terror (2024)
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Author: Patricia Veum II

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